Wettkampf vor der Haustür
Der Harzgebirgslauf in Wernigerode ist ein Traditionslauf und führt vom Start in Hasserode hinauf in den Harz und wieder zurück. Es werden mehrere Distanzen angeboten, vom kleinen 5er über eine 11km-Strecke und einen Halbmarathon bis zur „Königsdiziplin“ – dem Marathon über die Brockenkuppe. Ich habe mich nach dem erfolgreichen Bodfeldlauf für die Halbmarathondistanz entschieden. Ich war mir sicher die Kilometer bewältigen zu können, aber hier stehen noch ein paar Höhenmeter mehr auf dem Programm und an der Teilnehmerzahl ist der HGL bedeutend größer.
Vor dem Wettkampftag
Beim Harzgebirgslauf ist es gute alte Tradition, die Startnummer am Vortag des Wettkampfes im wunderschönen Rathaus der Stadt abzuholen. Schon auf dem Weg durch die Stadt wimmelte die Fußgängerzone von Läufern mit Plastikbeuteln, in denen die üblichen Give-Aways und die jeweilige Startnummer ausgehändigt werden. Sich hier einzureihen birgt irgendwie ein gewisses Gefühl von Gemeinschaft. Wir alle haben trainiert, sind aufgeregt und erwarten den Start am nächsten Tag.
Angekommen am Marktplatz begrüßten uns aufgestellte Tafeln, die die lange Historie des HGL verdeutlichen. Mit Jahreszahl, Name und Zielzeit findet man hier alles Sieger seit Gründung des Laufes. Als Läufer betritt man das Rathaus über die markante Treppe und steigt dann hinauf in einen großen Saal, um dann an langen Tischen seine Startnummer entgegenzunehmen. Auf dem Weg dahin passiert man eine kleine Messe mit Laufbekleidung, Schuhen und Ständen für andere Laufveranstaltungen. Stolz nahm ich meine Bib entgegen und traf meine Familie wieder vor dem Rathaus zum gemeinsamen Essen – Pastaparty mit Burger. Geht auch.
Der Start
Am Wettkampftag parkten wir das Auto etwas einen Kilometer vom Start/Zielgebiet entfernt. Parkplätze sind beim HGL immer Mangelware. Meine Frau wollte an diesem Tag die 11 Kilometer laufen und so begleiteten uns meine Eltern, die auf unsere Tochter aufpassten und uns an der Strecke anfeuerten. Leider startet der HM vor dem 11er, sodass ich vom Lauf meiner Frau nichts mitbekommen sollte. Hinter dem Parkplatz der Hochschulbibliothek gelangt man über einen kleineren Weg zu einer großen Wiese, die für den Start (und Ziel) hergerichtet wurde. Nebst einer Bühne und zahlreichen Ständen mit Laufequipment und Verpflegung gab es auch eine Livecam für die Brockenläufer. In meiner Erinnerung waren das alles ziemlich harte Hunde, die auf über 1.000 hm hinauflaufen.
Hier war schon deutlich mehr los, als noch vor ein paar Wochen in Königshütte beim Bodfeldlauf. Auf der großen Wiese herrschte reges Treiben und aus den Wegen ringsum trabten sich Läufer für den bevorstehenden Start warm. Pflichtschuldig lief ich auch ein paar Schritte den Hang hinauf und schlug mich bei der Gelegenheit nocheinmal kurz in die Büsche. Der Fehler vom Bodfeldlauf, eine Getränkestation ausgelassen zu haben, sollte sich nicht wiederholen. Das Gefühl vom trockenen Mund während der letzten Kilometer werde ich nicht so schnell vergessen, daher trank ich schon vor dem Lauf reichlich Wasser. „Hydration ist the Key“ sagte der Marathonrekordhalter Eliud Kipchoge einmal in einem Interview und damit trifft er zumindest bei mir den Nagel auf den Kopf. Bis heute neige ich dazu vor dem Wettkampf zu viel zu trinken…
Schließlich kam der Start näher und die Läufer versammelten sich im Starterfeld und ich nervös und voller Anspannung mittendrin. Eine Reihe vor mir stand der Oberbürgermeister, dessen Laufleistung ich hoch anerkenne. Wie bei fsat jedem Lauf sagt noch irgendwer irgendwas in ein Mikrofon, bis endlich der Schuss fällt und die Masse sich in Bewegung setzt. Erst gehend, dann trabend durch den engen Schlauch begleitet vom ständigen Piepsen der Timechips rauf auf die Strecke.
Die Strecke
Eng und voll sind die ersten zwei Kilometer und der HGL setzt mit einem ersten Anstieg hinter der Startlinie direkt ein Zeichen. Über einen Kiesweg geht es hinauf zur Wasserscheide und ab da über Wanderwege bis nach Ilsenburg. Auf den ersten hundert Metern wird man vom beständigen Klatschen der vielen Besucher am Wegesrand begleitet. Es geht beständig auf und ab, ein kleiner Bach fordert einen Hüpfer, wenn man die Brücke sparen möchte. Kurz bevor man in Ilsenburg auf die Straße trifft gibt es einen kurzen aber steilen Weg bergab über loses Geröll. Hier ist man schon bei Kilometer 7 und das Feld hat sich gestreckt. Die Strecke folgt der langen Straße, die mit einem ganz leichten Anstieg wieder aus Ilsenburg herausführt, der erste Verpflegungspunkt sorgt da für eine willkommene Abwechslung. Auf der Straße steht ein Mann mit Mikrofon, der die Läufer anfeuert und bekannte Gesichter herzlichst begrüßt. Ich nahm mir einen Becher Wasser, leerte ihn im Laufen so gut es ging und trabte weiter. Trinken während des Wettkampfes ist eine Sache für sich und so blöd das auch klingt – ich habe geübt aus einem Becher zu tirnken ohne anzuhalten. Bei vielen Wettkämpfen werden Pappbecher gereicht. Die haben den Vorteil, dass man sie oben zusammendrücken kann, sodass eine Schnabeltasse entsteht – das mindert die Wahrschienlichkeit eines Hustenanfalls, weil man sich verschluckt…
Nach einer scharfen Biegung beginnt das „Highlight“ der Strecke bei Kilometer acht. ein steiler, etwa drei Kilometer langer Abschnitt von Ilsenburg hinauf zum Ilsestein und dann weiter hoch auf ein kleines Plateau. Schon nach den ersten Metern begannen einige Läufer um mich herum zu gehen, aber ich hielt einen straffen Trab bei. Dieser Abschnitt war mir gut bekannt und ich hoffte meine Körner einteilen zu können ohne zu überpacen. Mein Tempo konnte ich ziemlich gut abgleichen, denn inzwischen war ich stolzer Besitzer einer Garmin Forerunner 735xt. Ich wusste also, dass ich den Anstieg zu schnell anging und bezahlte prompt auf den letzten 700 Metern mit Leistungsverlust. Beißend und Kämpfend versuchte ich den Trab beizubehalten und erreichte weitaus erschöpfter als Geplant die kleine Hochebene. Von hier aus hat man einen schönen Blick auf den gegenüberliegenden Brocken und nochmal musste ich an diese harten Hunde denken, die ihn wahrscheinlich in diesem Moment überquerten – dort hinten und nochmal viel höher…
Es folgt ein erholsamer Weg bergab in Richtung Plessenburg auf dem ich wieder etwas Zeit gutmachen konnte. Anschließend biegt man scharf ab und für ein paar Kilometer führt ein relativ ebener Waldweg parallel zum Oberförster Koch Weg. Auf diesem Abschnitt konnte ich einige Läufer einsammeln, bevor es nochmal leicht bergan ging zum Denkmal des Oberförsters. Das Überholen anderer Läufer zu diesem Zeitpunkt hat mir enorm Mut gegeben, zumal ich wusste, dass es nicht mehr sehr weit ist bis zum Ziel. Mir ging es wieder gut und es rollte. Ich schrubte mich den Anstieg hoch und lief dann leicht abschüssig bis zur Mönchsbuche.
Den hier eingerichteten VP teilen sich die Halbmarathonies mit den Wanderern, weshalb ich mir einen Platz am Buffet erkämpfen musste. Dabei griff ich versehentlich nicht zum Wasser, sondern erwischte irgendein ISO-Getränk. Auf die Mönchsbuche folgt der letzte, nicht besonders steile Anstieg – aber das ISO-Kram hinterließ einen ekelhaften Geschmack und mein Mund fühlte sich trockender an als vor dem Verpflegungspunkt.
Oben angekommen erwrtete mich das noch immer beste Motivationsschild, dass ich bisher gesehen habe und riss mich aus meinen finsteren Verünschungen über ISO-Hersteller und Wanderer. Immer wenn ich an dieser Stelle vorbeikomme denke ich an den Spruch „von nun an geht’s bergab“ und freue mich auf die letzten Kilometer bis ins Tal. Ich sammelte die letzten Reserven und gab richtig Gas. Der Kies knirschte unter meinen nicht mehr ganz so sauberen, schwerfälligen Schritten aber das Tempo nahm Meter um Meter zu.
Ich raste den Schotterweg hinunter und überholte hemmungslos, wenn mir möglich, so viele Läufer wie ich konnte. Diesen Abschnitt teilen sich wieder alle Strecken, sodass viele der Überholten entweder langsame 11km-Läufer oder schnelle Marathonies gewesen sein mussten. Die Strecke zieht sich nochmal etwas in die Länge, aber ich versuchte mein Tempo so gut es geht beizzubehalten. Außerdem wollte ich nicht von einem vorher überholten Läufer wieder eingeholt werden. Nach einer gefühlten Ewigkeit, schweren Beinen und einer brennenden Lunge kam endlich die ersehnte Abbiegung in Sicht. Ein großes Gebüsch. Man verlässt den Kiesweg und biegt auf einen schmalen Trail ohne an Tempo nachzulassen wird das Sichtfeld zu einem schmalen Tunnel aus grünem Blattwerk. Dann öffnet sich plötzlich dieser Tunnel und schießt wie eine Kanonenkugel ins Freie auf eine große, weite Wiese. Alles ist frei und man fliegt über das Grün hinweg auf den nächsten Tunnel zu. Wald und kleine Wiesen wechseln sich nun ab, fliegen Vorbei. Mein Vater stand auf einer kleinen Lichtung und klatschte Laut, rief mir Aufmunterungen zu. Ich erinnere mich wahnsinnig schnell gewesen zu sein auf diesen letzten zwei Kilometern
Es standen nun immer mehr Leute am Streckenrand und applaudierten uns Läufern und man konnte schon die